Fernmeldeturm Thurauer Berg

Der Thurauer Berg, im östllichen Wendland gelegen, mit einer Höhe von 52,6 Metern eine gute Rundumsicht bietend, wurde schon Anfang der 1960er Jahre zum Zweck der Funkaufklärung genutzt.

Das Fernmeldebataillon 120 (FmBtl 120) des Heeres aus Rotenburg/Wümme führte für den grenznahen Einsatz zur Aufklärung des großen Truppenübungsplatzes Letzlinger Heide bei Stendal bereits im Frühjahr 1961 auf dem Thurauer Berg eine Erkundung durch und der Berg wurde dabei als geeignet beurteilt. Das nahegelegene und leerstehende Sägewerk in Oerenburg unweit von Thurau sollte dabei als „Unterkunfts- und Versorgungsstützpunkt“ fungieren. Von Ende August bis November 1961 wurde  der Aufklärungsbetrieb dann durchgeführt.

Dazu wurde auf dem Thurauer Berg auch ein ca. 30 m hoher Holzturm errichtet, der die Form eines trigonometrischen Punktes hatte und zusammen mit einem Abspannmast als Antennenträger diente. Auch ein Feldhaus ist errichtet worden, das später die Luftwaffe weiternutzte und noch bis Ende der 1970er Jahre existierte. Heute steht an der Stelle, wo sich der Holzturm befand, der Fernmeldeturm.

Holz- und Betonturm
der Holzturm mit Feldhaus (linkes Foto), später der Fernmeldeturm an gleicher Stelle

Nach dem Heer nutzte auch die Luftwaffe den Thurauer Berg als Erfassungsstellung. Am 29. April 1963 traf dazu ein Vorauskommando ein, um die als „Eidechse"  bezeichnete Stellung dann vom 24. Juli 1963 bis 20. November 1964 für Erfassung im VHF-Bereich zu betrieben. 

Zeitweise parallel mit der Thurauer Stellung wurde auf der Höhe 123 bei Clenze nach einer Vorerkundung ab 19. April 1963 aus einer weiteren Einsatzstellung heraus von 1964 bis November 1967 aufgeklärt.

Die Entscheidung zugunsten des Thurauer Berges, diesen als zukünftige stationäre Einsatzstellung zu nutzen, stand aber schon fest.


15. März 1965

Grundsteinlegung für den neuen Fernmeldeturm „Thurauer Berg“.

Viele historische Fotos vom Bau des Fernmeldeturms sind im → Wendlandarchiv zu sehen.

 

21. April 1966

Der Fernmeldeturm „Thurauer Berg“ ist der letzte der fünf Luftwaffentürme, dessen Richtfest gefeiert wird. Dazu sind auch der Projektoffizier, der spätere Kommandeur Fernmelderegiment 71 (FmRgt 71, Osnabrück), Major Eberhard Skibbe, Sektorchef Major Leonhard Nowak und Vertreter vom Staatshochbauamt sowie weitere Gäste vor Ort.

 

07. Juli 1967

Ab acht Uhr erfolgt die provisorische Betriebsaufnahme auch im Fernmeldeturm Thurauer Berg. Dazu dokumentiert das Funkwachbuch dokumentiert die ersten Horchfunker in den Erfassungsräumen:


 

Oktober 1970
Umgab anfangs nur ein 2,50 Meter hoher Maschendrahtzaun die Stellung und Außenbereiche, folgt der Aufbau eines zweiten Zaunes erst jetzt.
Es dauert dann noch knapp ein Jahr, bis am 30. Juni des folgenden Jahres um 22 Uhr die Zaunbeleuchtung den Zaunbereich bei Dunkelheit taghell erstrahlen lässt. Ständige Erneuerungen, Verlagerungen und Umbauten auf dem Gelände verändern in den Jahren stetig das Aussehen der Stellung.

Turm 1970er

3. März 1977

Mit Inbetriebnahme des neuen Bereitschaftsgebäudes, in dem u.a. auch eine Küche und Speisesaal untergebracht waren, entfällt auch die Nutzung des aus den 1960er Jahren verbliebenen Feldhauses; es wird später abgerissen.

 

Ende der 1970er Jahre erhält die Verkleidung des Turms, die sogenannte "Außenhaut" (9. bis 16.OG), einen neuen gelben Schutzanstrich.

Turm mit gelber Außenhaut

links neben dem Turm ist noch das alte Feldhaus zu sehen

Mai 1985

Die bisher weithin gelb leuchtende, sinusförmige Außenhaut des Fernmeldeturms muß erneuert werden. Äußerlich dokumentiert ein Gerüst die Veränderungen. Viel mühevoller erweisen sich die nötigen Arbeiten zur Verlagerung der Erfassung in behelfsmäßige Arbeitszonen außerhalb des Turmes, so wird die Flugfunkerfassung aus dem Schleppdach, die Elo-Erfassung aus mobilen Kabinen (Sheltern) heraus durchgeführt. Dazu müssen auch zusätzliche Antennensysteme auf Masten errichtet werden. Insbesondere die Techniker ermöglichen es, innerhalb eines Tages alle nötigen Verbindungen für eine ordnungsgemäße Erfassung abzubauen, neu zu ziehen und wieder voll funktionstüchtig herzustellen.

Nach rund einem halben Jahr ist die Sanierung beendet und der Fernmeldeturm strahlt mit einer neuen und nun glatten "Außenhaut" in dezentem Grau. Die Erfassung kann nun wieder wie gewohnt aus dem Turm heraus erfolgen.

Turmumbau

 

April 1987

Die Baumaßnahmen für das neue Betriebsgebäude, die sogenannte „Horizontale Erweiterung“, beginnen. Baumaschinen , Kräne und Bauarbeiter bestimmen nun das Bild in der Einsatzstellung.
Aus Platzgründen, aber um auch eine moderne und effizientere Arbeitsumgebung zu schaffen, sollen hauptsächlich die Betriebsräume der Erfassung vom Turm in das neue Gebäude verlagert werden.

 

Bau der Horizontalen Erweiterung

 

1989

Mit Installation einer neuen Richtfunksaufklärungsanlage im 8. OG werden auf der Plattform 12.OG auch zwei Antennenplattformen installiert, die je zwei Parabolantennen vom Typ ROHDE &SCHWARZ AC 007 mit 3m Durchmesser aufnehmen können. Aufgrund der Erfordernisse wird vorerst je Plattform nur eine Antenne installiert.

Turm 1991


10. Dezember 1991

DIe  Wende und die damit verbundenen Umstrukturierungen erforderen auch ein neues Einsatzkonzept der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung der Luftwaffe.

In diesem Zusammenhang werden am Turm mit Hilfe eines Schwerlastkrans die beiden Antennengestelle mit den 3m Parabolantennen vom 12. OG sowie der Antennendrehstand der Antennenanlage AS-1006 und die Parabolantenne (aus dem 16. OG) demontiert und mittels eines Teleskopkrans herabgelassen. Die Antennenspiegel werden anschließend mit einem Hubschrauber Bell UH-1D in die Kaserne Neutramm geflogen.

Das neue Betriebsgebäude ("Horizontale Erweiterung") ist zwar weitestgehend fertiggestellt, aber aufgrund der neuen Situation verbleibt die Erfassung vorerst noch im Turm.
Im Gegensatz dazu sind die neuen Gebäude der Fernmeldesektoren A, E und F schon in Betrieb, nur das vom FmSkt C verbleibt im Rohbaustadium und wird zusammen mit dem Turm erst im Jahr 2005 abgerissen bzw. der Turm gesprengt.

 

18. August 1992

Vom Fernmeldeturm Thurau werden vier Meter von der Spitze abgetrennt und die fünf Tonne schwere 'Haube' mit einem 200-Tonnen-Kran abgehoben. Grund ist die geplante Installation eines Radoms für die Datenlink-Antenne der geplanten LAPAS-Bodeneingangsstelle, die ursprünglich am Regimentsstandort Osnabrück vorgesehen war. 

Die „Turmspitze“ transportiert ein ziviler Mitarbeiter der WIGMA (Wartung-/ Instandsetzungsgruppe Maschinen Anlagen) nach Hause ab um sie als Lackierhalle für Autos zu nutzen.

Turm 1991 und 1993

 

03. Februar 1993

Die Beschaffung des LAPAS wird von politischer Seite gestoppt, und somit ist auch die geplante Bodenstelle obsolet geworden. Als Folge wird im Juni 1993 wird mitgeteilt, daß der Standort Dannenberg nicht mehr benötigt wird und daher geschlossen werden soll.

Damit droht auch die Horizontale Erweiterung zu einer teuren 'Bauruine' zu werden. Die bisherigen Kosten sollen nach offiziellen Angaben bei 25 Mio DM liegen. Der Neubau am Thurauer Turm mit drei unterschiedlich großen Etagen verfügt über abgeschirmte, abhörsichere Betriebsräume, die über spezielle Schleusen zu betreten sind und ist auch mit speziellen Fenstern ausgestattet. Auf den drei Flachdächern sind jeweils über die Längsseiten, zwei Schienen befestigt, auf den Etagen 1 und 2 auch an jeweils an einer Querseite; ursprünglich gedacht für das Installieren von zusätzlichen Antennenanlagen. Im Untergeschoß ist die Klima- und Versorgungstechnik untergebracht.

 

06. September 1993

Die Richtfunkerfassung wird eingestellt und am 08. November die Elo-Erfasssung auf zwei Arbeitsplätze reduziert.

 

13. Dezember 1993

Um 10 Uhr Ortszeit wird die Erfassung (Flugfunk und Rest Elo) ganz eingestellt und abgemeldet.
Insgesamt hat der FmSkt B aus dem Turm somit an 9.656 Tagen oder 213.746 Stunden Erfassung betrieben.

Abmeldung

 

01. Juli 1994, 10:45 Uhr

Am Fernmeldeturm wird die Bundesflagge für immer eingeholt. Nach einem kleinen Appell der Nachkommandos vom FmSkt B und der FmKp 1 übergeben die Leiter der beiden Nachkommandos, Oberleutnant Torsten Grefe (FmSkt B) und Hauptmann Werner Heinz (FmKp 1), mit Unterzeichnung des Übergabeprotokolls Turm und Liegenschaft an Bedienstete der Standortverwaltung und des Bundesvermögensamtes.

Damit endet nach über 27 Jahren die militärische Nutzung des Fernmeldeturms Thurauer Berg.


Belegung und Nutzung der einzelnen Turmetagen mit Stand 1990:

Turmbelegung


Turmangebot
1990 kursierte ein scherzhaft gemeinter Wurfzettel


Trotz mehrerer Ausschreibungen durch das Bundesvermögensamt und auch mehrerer Interessenten hat es bis 1998 gedauert, die Liegenschaft einer zivilen Nachnutzung zuzuführen. Anfangs war auch vom Abriss des Fernmeldeturms die Rede, was aber etliche Millionen DM an Kosten verursacht hätte.

Anfangs nutzten mehrere Firmen die Horizontale Erweiterung, heute (Stand Dezember 2022) ist gem. Informationstafel an der Zufahrt nur noch eine Firma vor Ort. Von 1997 bis 2012 wurden das Bereitschaftsgebäude und das Schleppdach durch das Technische Hilfswerk (THW, Ortsverband Lüchow-Dannenberg) genutzt.

Der Turm dient heute als Antennenträger u.a. für Mobilfunknetzbetreiber.

Nach acht Monate dauernden - und längst überfälligen - Sanierungsarbeiten erstrahlt der Turmschaft (1. bis 8. OG) Anfang 2019 in neuem Glanz, nun auch mit drei grün abgestuften Farbringen.


die Einsatzstellung von oben (2019)

die Einsatzstellung im Jahr 2019 - mit Blickrichtung Osten (Dank an Michael Jürs)


vor einigen Jahren wurde am ehemaligen Hubschrauberlandeplatz eine Informationstafel aufgestellt


Aug + Ohr

"ich höre und sehe alles ..."